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INTERVIEW mit Maria Köstlinger

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KURIER: Um die "Vorstadtweiber " ist ein ziemlicher Hype entstanden. Sie spielen mit der adeligen Waltraud Steinberg eine der Hauptrollen. Haben Sie mit diesem Rummel gerechnet?
Maria Köstlinger: Nein. Als ich das Drehbuch gelesen habe, war ich schon überzeugt, dass das die eine oder der andere sehr lustig finden würde. Aber mit diesen Hype – wo man Leute trifft, die sagen: "Ich muss unbedingt am Montag um 20.15 Uhr zuHause sein" – habe ich tatsächlich nicht gerechnet. Es hat mich am Anfang auch überfordert.
Alle "Vorstadtweiber"-Hauptdarstellerinnen sind mit dem Erfolg der Serie selbst schlagartig in den Mittelpunkt der Öffentlichkeit gerückt. Wie geht es Ihnen damit?
Es ist schon so, dass ich das meistens sehr, sehr schön finde. Manchmal denke ich mir aber auch: "Nein, ich bin nicht schwanger, das ist die Figur". Weil die Leute einfach nicht mehr so unterscheiden können, was die Rolle ist und was der Mensch. Sobald man im Wohnzimmer der Menschen ist, scheinen sie zu glauben, der eine ist wirklich schwul, die andere schwanger und die dritte sexbesessen. Da gibt es das eine oder andere seltsame Zusammentreffen. Aber alles in allem sind die Leute sehr lieb.
Sie haben in der Serie eine Affäre mit einem Jugendlichen, den Sie auch küssen. Ihr Konterpart Johannes Nussbaum war auch im richtigen Leben erst 19. Ist das Alter in so einem Fall ein Kriterium beim Spiel?
Es ist bei jeder Kuss- und Sexszene immer eine Geschichte, die man versucht, irgendwie zu besprechen. Egal ob das mit einem gleichaltrigen Kollegen, älteren Kollegen, jüngeren Kollegen, einer Kollegin ist – was auch immer uns begegnet in unserem Beruf. Es ist meistens sehr unprickelnd. Man hat ja auch eine gewisse Scheu und muss drauflos: Ein bisschen "Hopp oder dropp". Das war für mich keine großartig andere Geschichte als bei einem gleichaltrigen oder älteren Kollegen.
Der ORF hat eine zweite Staffel angekündigt. Sind sie bereits handelseins?
Ja, wir wurden schon gefragt, und ich habe zugesagt. Ich habe Lust, ein bisschen an der Waltraud Steinberg zu arbeiten, um zu sehen, wo die Reise noch hingehen kann.
Wie beurteilen Sie generell die Qualität der Drehbücher im österreichischen Fernsehen?
Ich finde, dass sich da in den letzten Jahren ganz viel getan hat. Ich selber bin ja aus Schweden und bin eine große Fanatikerin vom schwedischen Film und den schwedischen Drehbüchern. Ich habe in letzter Zeit aber sehr viele gute Filme aus Österreich gesehen. Es gibt sehr viel Spannendes, egal ob das jetzt die "Spuren des Bösen" sind, die Haas-Verfilmungen oder die "Landkrimis": Da passiert sehr, sehr viel und da kann man nur weitermachen und hoffen, dass das weiter so bergauf geht.
Warum ist Skandinavien in Film und Fernsehen so fortschrittlich?
Erstens mal wird nicht gespart, sondern auch Geld ausgegeben für die Kultur und Film und Fernsehen. Man wollte wahrscheinlich auch hoch oben im Norden in den Fokus treten. Es gibt wahnsinnig viele Schriftsteller, die sehr toll schreiben, die in allen Varianten arbeiten. Sie haben auch seine sehr große Bandbreite im Genre des Films. Es interessiert sie zudem sehr, die eigenen Menschen mit deren Themen zu behandeln.
Haben Sie das Gefühl, dass Österreich aufschließen kann?
Ja, das glaube ich schon. Das was ich so erlebe: Man muss als Schauspieler oft weggewesen sein, um wieder durchzustarten. Es ist auch so, dass man in Österreich sehr viel die Absurdität und die Überhöhung sucht, wobei die Bandbreite, mehr zuzulassen, wichtig wäre. Ich habe das Gefühl, dass das nicht so stark stattfindet. Es fehlt vielleicht ein wohlwollenderes Miteinander.
Welche Projekte betreiben Sie eigentlich aktuell?
Ich fange am 9. März an der Josefstadt zu probieren an. Definitiv etwas ganz anderes: Franz Kafka. Fünf Schauspieler, vier Männer und ich, Elmar Görden führt Regie.
Wofür schlägt Ihr Herz mehr? Theater oder Film und TV?
Ich würde ohne das Theater gar nicht sein können. Ich finde Drehen sehr spannend, aber wenn ich eine längere Zeit weg bin, merke ich das schon. Ich bin im Juni das letzte Mal auf der Bühne gestanden, das ist sehr, sehr lange her. Unlängst habe ich in den Raum in der Josefstadt hineingeschaut und gemerkt, wie wichtig mir der Austausch mit dem Publikum ist.
Wie erleben Sie das Spiel auf der Bühne? Welche Interaktion findet mit dem Publikum statt?
Du spürst, wenn du die Leute hast. Du spürst, ob das eine sehr langweilige Ruhe ist oder eine sehr aufmerksame, spannende Zuhörstille ist. Das ist etwas Tolles. Umso grauenvoller ist es, wenn du spielst und merkst: Die schwimmen alle davon und sind ganz woanders.
Man spricht ja vom Boom des Qualitätsfernsehens. Merken Sie auch, dass die Bücher, die Rollen und die Themen besser werden?
Auf jeden Fall. Es ist unglaublich spannend. Da gibt’s einen, der traut sich in den Western, in die Groteske, in den Krimi. Da sind schon auch Leute am Werken, die einfach so eine Lust verspüren.
Gibt es eine internationale TV-Produktion, bei der Sie gerne dabei wären? Dass etwa der Däne Lars Mikkelsen bei "House of Cards" einstieg, war für sich genommen schon ein Riesenthema.
Ganz konkrete Wünsche gibt es bei mir eher in die skandinavische Richtung. Da ich schwedisch spreche, würde ich wahnsinnig gerne in Schweden drehen. Wenn man eine Serie sieht wie "Borgen", da muss ich schon sagen: Es wäre der Wahnsinn da dabei zu sein. Ich habe einen Hang, mir eher Filme und DVDs aus meiner Heimat anzuschauen. Ich hätte allerdings nix dagegen, wenn man mich bei "House of Cards" fragen würde (lacht). Die "Vorstadtweiber" haben alles, was eine funktionierende Serie ausmacht: Eine Reihe hochkarätiger Darsteller, die klar definierte und sorgfältig entwickelte Rollen spielen.
Eine temporeiche Handlung, die sich aber nicht, wie manch umjubelter US-Serie, in unzähligen Wendungen verliert, sondern überschaubar bleibt. Nicht alle Menschen wollen in einen Fernsehabend ähnlich viel Hirnschmalz investieren wie in ein Hochschulstudium.
Ein Setting, das Spaß macht: endlich einmal in die schicken Schlafzimmer der Privilegierten hineinschauen dürfen – und zwar nicht in Hollywood oder New York, sondern vor der eigenen Haustür. Gut zu wissen, dass auch in Döblinger Villen gestritten und betrogen wird.
Und schließlich: Bei den "Vorstadtweibern" gibt es keinen Sex im BH, keine mühsamen Verrenkungen unter Leintüchern, keine verklemmten Anspielungen. Hier ist eine Brust eine Brust und ein nackter Popo ein nackter Popo. Die Kamera bleibt ungeniert drauf, wenn’s zur Sache geht. Warum auch nicht? Glauben wir an den Klapperstorch oder was?
Viele gute Gründe, die dafür sprechen, dass uns die "Vorstadtweiber" noch lang erhalten bleiben – und das ist gut so.Also besonders gut sind die "Vorstadtweiber" nicht. Aber darin unterscheiden sie sich nicht von anderen Filmen oder Serien, die primär von einer Art Hype leben. "50 Shades of Vorstadt", wenn man so will.
Man darf die Serie jedoch auch nicht verdammen. Es gibt bedeutend Übleres. Aber die Vermutung liegt nahe: Die "Vorstadtweiber" haben nur deshalb so viele Seher, weil zu wenig Originäres produziert wird. Man nimmt, was man kriegt.
Wenn man genauer hinschaut, ist die schauspielerische Qualität bei den "Vorstadtweibern" durchwachsen. Manchen glaubt man ihre Rolle, anderen gar nicht. Die Drehbücher wirken bemüht, das Timing der Pointen ist fatal. Dass der Titel irreführend ist – die Zeit der Döblinger Vorstadt liegt lange zurück –, wurde ebenso oft schon moniert wie das Product Placement (auch wenn es keinen offiziellen Verstoß gegen die Werbebestimmungen gab).
Warum vor Ausstrahlung der ersten Folge bereits feststand, dass eine zweite Staffel kommt, erschließt sich nicht. Um Geschichten über mehrere Staffeln zu entwickeln, braucht es mehr Qualität statt kalkulierter Erregung. Von einer wirklich guten Serie internationalen Niveaus sind die "Vorstadtweiber" Lichtjahre entfernt.


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